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Und aller Stress, Kummer, alle Not, Eile, Hektik, Vorwürfe, Selbstzweifel, Erschöpfung, alles Müssen, Sollen – all das, was mich in den zurückliegenden Momenten, Tagen, Wochen und Jahren umfangen hat, ist mit einem Aufschlag meiner Lider nicht mehr hier...
Ich schaue, lausche. Mein Blick ist weich und weit. Schall klingt sanft an meine Ohren. Um mich ist Geruch, die Luft bewegt sich, mein Körper pulsiert fein. Ich nehme all das wahr, aus einem weiten, freien, inneren Raum heraus. In dem sich nichts regt und nichts anderes ist, als reines, waches Wahrnehmen. Dieser Augenblick ist voller Frieden und alles in mir ist klar, ohne Gedanken zu haben.
Wir leben auf drei Ebenen zugleich. Von der alltäglichen, irdischen aus können wir zwei Stufen erklimmen:
Auf der ersten werde ich mir bewusst, dass ich in diesem Moment Gedanken habe, dass in mir Gefühle sind, dass mein Körper Empfindungen zeigt. In diesen innerlich wachen Augenblicken sehe ich die Bilder meines Verstandes wie ein Besucher in meinem eigenen, inneren Heimkino. Ich höre die tonlose Stimme meines Verstandes, die mich, seit ich denken kann, begleitet. Sie spricht Worte, Sätze und Aussagen und führt innerlich Gespräche. In diesen wachen Momenten nehme ich mein Fühlen als inneres Empfinden wahr: Die Wut, die mit Leid gemischt ist, den Kummer, der eine Mischung aus Traurigkeit und Leid ist, die Angst, die unter diesen sich stetig wandelnden Gefühlsgemischen liegt, das Steigen der Hoffnung, als ich meinen Kopf hebe und meine Glieder strecke, das Aufkommen von Freude in meinem Gefühlsgemisch. Ich bemerke die Gedanken, an denen ich festhalte und damit das, was ich will. Gleichzeitig nehme ich bewusst die Eindrücke meines Körpers wahr: Hier das Ziehen, hier einen leicht brennenden Schmerz, hier das Grummeln im Leib, hier die Bewegungen meiner Arme, Finger, Augen und die meines Kopfes.
In diesen wachen Augenblicken nehme ich mein Denken, Fühlen und Körperempfinden wahr und stelle fest, dass ich noch mehr bin als nur Gedanken, Gefühle, Körper und Sinneseindrücke!
Zuvor, auf der ersten Ebene, war dieses nicht so. Ich war wie eingespannt in mein Leben und tägliches Dasein. In meine Aufgaben, meine Fürsorge, meine Pflichten, dem immer wieder neuen miteinander Zusagen, Einhalten und Erfüllen. In diesen unaufhörlichen Strom aus Tun, Wollen, Sollen, Wünschen, Bekommen, Erfolg, Enttäuschung, Loslassen, Erschöpfung, Aufbruch, Forschen, Planen und wieder neuem Tun, Wollen, Sollen und Wünschen. Niemals in diesen unzähligen, wie Perlen an einer Schnur aufgereihten Momenten habe ich innegehalten und mich selbst wahrgenommen! Ich, der dieses alles denkt, fühlt, körperlich empfindet und all die Sinneseindrücke empfängt. Ich war in all diesen Augenblicken wie in mein Erleben eingetaucht.
Jetzt scheine ich einen inneren Baum emporgeklettert zu sein. Bis ganz nach oben. Meine Wahl war gut und richtig: Dieser Baum überragt all die nebenstehenden. Ich sitze in seiner Krone und sehe zum ersten Mal meine Welt in ihrer ganzen Weite und Schönheit… Das Licht des Himmels strahlt auf Trilliarden Blätter, der eine Wind wiegt sanft die Gipfel der Bäume, Vögel kreisen mit weiten Spannen. All die Tage lebe ich nun schon in diesem Dschungel, in diesem Dickicht aus immer wieder neuen Freuden, Enttäuschungen, Gefahren, Sorgen, Hoffnungen, Überraschungen und Momenten des Glücks, ohne ihn jemals in seiner Ganzheit gesehen zu haben.
Hier, auf der zweiten Ebene, ist eine Welt, die anders ist. Inzwischen bin ich wieder zurück auf der Erde, doch ich habe die Weite der Krone noch in meinem Bewusstsein. Jetzt bin ich wieder gefüllt mit Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen, Sinneseindrücken, Tun und Begegnungen. Doch ich bin diese Eindrücke nicht mehr allein! Ich erlebe sie wie zuvor und zugleich mich selbst sie wahrnehmend. Ich bin in der Krone und auf der Erde zugleich und das Wasser verkocht im Reis und die Kinder kommen gleich von der Schule…
Auf dieser zweiten Bewusstseinsebene ist das Tor in die dritte Ebene. In ihr zu weilen ist reine Gnade. Ich bin wach, vollständig wahrnehmend, auf der ersten, zweiten und dritten Ebene zugleich, und kein loser Gedanke, kein alltägliches Gefühl, kein bewusstseinsziehendes Körperempfinden ist mehr in mir. Ich bin wirklich, wahrhaftig, weit, frei von Anhaftung, Angst, Mangel und Unwissenheit. Der Raum des Wahrnehmens ist gefüllt mit allem lebendigen Geschehen und voller Licht und Liebe zugleich. Diese Ebene des Erlebens nennen wir Erleuchtung.
Hallo Schatten!
Ab heute nehme ich euch an meine Hand.
Und wenn ihr gehen möchtet, in Liebe:
Ihr seid frei.
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